Entstehung und Entwicklung

Die Bürgerbewegung „Pro Köln“

Die Bürgerbewegung „Pro Köln“ wurde im Jahr 1996 gegründet. Ihre Entstehung und ihre Entwicklung sind eng verknüpft mit einer Organisation, die in der neofaschistischen Szene Kölns jahrelang eine führende Stellung innehatte: mit der DEUTSCHEN LIGA FÜR VOLK UND HEIMAT (DLVH). Ihr entstammen mehrere heutige Spitzenfunktionäre von „Pro Köln“. Wer „Pro Köln“ richtig einschätzen möchte, sollte daher wissen, welches Milieu in der DLVH vertreten war.

Die DLVH

Die DLVH hat ihre Ursprünge im Jahr 1991. Bei ihrer Gründung schlossen sich altgediente NPD-Funktionäre (wie der ehemalige NPD-Vorsitzende Martin Mußgnug oder der frühere NPD-Generalsekretär Jürgen Schützinger) mit Mitgliedern der DEUTSCHEN VOLKSUNION (DVU) und der so genannten REPUBLIKANER (REP) zusammen. Einige ihrer Mitglieder unterhielten sogar Kontakte zu militant-neonazistischen Vereinigungen, etwa zu der später verbotenen NATIONALISTISCHEN FRONT.1 Zulauf von den REP, die damals eigentlich selbst sehr erfolgreich waren, bekam die DLVH, weil dort Einige in internen Machtkämpfen gegen Parteichef Franz Schönhuber unterlagen und nach neuen Chancen suchten. Der DLVH schlossen sich zwei führende Köpfe der Kölner REP an, die 1989 mit mehr als sieben Prozent in den Stadtrat eingezogen waren: Die heutigen „Pro Köln“-Funktionäre Markus Beisicht und Manfred Rouhs. Unter der Leitung von Beisicht und Rouhs wurde der Kölner Ableger der DLVH zur aktivsten Gruppierung der örtlichen extremen Rechten. Mit dem Anspruch, sich als Sammlungspartei der extremen Rechten zu etablieren, machte sie durch aggressiv rassistische Parolen (“multikriminelle Gesellschaft”) und insbesondere durch Hetze gegen Sinti und Roma auf sich aufmerksam. 1993 erreichte diese Hetze ihren Höhepunkt: Die DLVH setzte ein Kopfgeld auf die Ergreifung einer illegal in Köln lebenden Roma-Frau aus. Presserechtlich verantwortlich für einen öffentlich aufgehängten Steckbrief, auf dem die Frau abgebildet war, war Bernd Michael Schöppe. Ansonsten versuchte die DLVH, sich mit kölschtümelnden Slogans (“Domit uns Kölle kölsch bliev”) und mit ihrer Zeitung DOMSPITZEN einen bürgernahen Anstrich zu geben. Auch die enge Zusammenarbeit von „Pro Köln“ mit extrem rechten belgischen Organisationen wie dem VLAAMS BELANG (damals noch VLAAMS BLOK) geht auf diese Zeit zurück. Bei Tagungen, die die DLVH organisiert hatte, gaben sich extrem rechte Gruppen aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden ein Stelldichein – so etwa 1992 bei einer Tagung im Kölner Senatshotel zur “Ausländer- und Asylproblematik”. Bei dieser Tagung traten Schläger aus der Solinger Kampfsportschule HAK-PAO als Saalschutz auf. HAK-PAO war ein Jahr später in den Brandanschlag auf eine türkische Familie in Solingen verwickelt, bei dem fünf Menschen starben: Zwei der Attentäter hatten dort trainiert. Die Rolle des HAK-PAO-Leiters und V-Mannes des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Bernd Schmidt, ist bis heute nicht völlig aufgeklärt.

Mörder und Totschläger

Bis zu ihrer Auflösung war die Kölner DLVH mit der militanten Neonazi-Szene verbandelt. Zur Kommunalwahl 1994 trat sie mit einer offenen Liste an, auf der auch Mitglieder der kurze Zeit später verbotenen FREIHEITLICHEN DEUTSCHEN ARBEITERPARTEI (FAP) und der NPD kandidierten. Einige DLVH-Kandidaten gelangten später zu trauriger Berühmtheit. Thomas Adolf, Ratskandidat und zeitweise Chauffeur von Manfred Rouhs, ermordete 2003 in Overath ein Anwaltsehepaar und dessen Tochter. Er bezeichnete sich als “Führer der mit der Befreiung des Deutschen Reichsgebietes beauftragten 39. SS-Division Götterdämmerung”. Ulrich Klöries, 1994 Ratskandidat der DLVH und ehemaliges Mitglied der Neonazi-Partei FAP, ermordete 2006 in Köln-Kalk seine Mitbewohnerin. Nachdem die Kölner DLVH bei der Kommunalwahl im September 1994 deutlich an der Fünfprozenthürde gescheitert war, wurde es recht ruhig um sie. Einige Zeit versuchte sie noch, sich mit der Gründung so genannter “Runder Tische” als Bündnisprojekt der extrem rechten Szene über Wasser zu halten. Doch auch dieser Versuch scheiterte. 1996 wurde dann die Bürgerbewegung „Pro Köln“ ins Leben gerufen. Den Vorsitz übernahm zunächst der DLVH-Aktivist Sven Möller.

Von der DLVH zu „Pro Köln“

Als die DLVH 1999 trotz der Abschaffung der Fünfprozenthürde den Einzug in den Stadtrat deutlich verpasste, stiegen ihre führenden Mitglieder, allen voran Beisicht und Rouhs, endgültig auf das Projekt „Pro Köln“ um. „Pro Köln“-Vorsitzende wurde die ehemalige Ratskandidatin der REPUBLIKANER, Judith Wolter, stellvertretender Vorsitzender der langjährige DLVH-Aktivist Bernd Michael Schöppe, der Kontakte in die militante Neonazi-Szene pflegte. Lange Zeit war „Pro Köln“ praktisch nicht aktiv gewesen, jetzt änderte sich das: Die Organisation trat im September 2000 zur Wahl des Oberbürgermeisters an, als Kandidat wurde das ehemalige REPUBLIKANER- und heutige NPD-Mitglied Stephan Flug ins Rennen geschickt. In Anlehnung an eines ihrer politischen Vorbilder, die rassistische FREIHEITLICHE PARTEI ÖSTERREICH (FPÖ) aus Österreich und deren langjährigen Chef Jörg Haider, wurde Flug als “Kölscher Haider” präsentiert – allerdings ohne Erfolg: Er erzielte, ganz anders als das erfolgreiche österreichische Idol, gerade einmal 0,3 Prozent. Besser lief es nach mehreren Jahren politischer Aktivitäten bei der Kommunalwahl 2004. „Pro Köln“ zog mit 4,7 Prozent und vier Vertretern in den Kölner Stadtrat ein. Seitdem ist die Organisation auch in allen Bezirksvertretungen mit Abgeordneten präsent.

© „Köln ganz rechts – Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln“,
Jugendclub Courage Köln, 2008