Flüchtlingspolitik

Rassismus von „Pro-Köln“:
„Es gibt kein Grundrecht auf Asyl.“

© Kein Mensch ist Illegal, Köln

© Kein Mensch ist Illegal, Köln

Der Rassismus von „Pro-Köln“ ist hinter scheinbar unverfänglichen Schlagwörtern versteckt: Wenn öffentlich von „echter und heimatbewusster Opposition“, den „Interessen der einheimischen Bevölkerung“ oder dem „Erhalt der traditionellen Kölner Werte und unserer deutschen Leitkultur“ die Rede ist, wenn in der einschlägigen Propaganda „für Köln“ gleichzeitig „gegen Islamisierung“ und „gegen Kriminalität“ Vorurteile geschürt werden, wenn die angebliche „mangelnde Integration bestimmter Zuwanderergruppen“ beklagt wird, wenn behauptet wird es gäbe „kein Grundrecht auf Asyl“, dann heißt das im Klartext: Rassistische Stimmungsmache. Gemeint ist Zuwanderungsbegrenzung, beschleunigte Abschiebung von Asylbewerber_innen, Einschränkung oder Streichung von Menschenrechten Nicht-„Einheimischer“. Das zeigt sich spätestens bei den öffentlichen Auftritten von „Pro-Köln“, vor Flüchtlingsunterkünften in Köln, vor der Ehrenfelder Moschee, im Internet, auf Hauswurf-Zetteln oder im Stadtrat. Außer diesem einschlägigen Mantra hat die selbsternannte „Bürgerbewegung“ dann auch nichts anderes zu bieten. Wer dagegen protestiert, wird oftmals als Feind von Demokratie und Meinungsfreiheit beschimpft.

Hier einige wissenswerte Daten:

EU-Osterweiterung (Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien)

Das verbriefte Recht auf Freizügigkeit ist eine zentrales Merkmal der EU, sie fördert die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration des europäischen Kontinents. 2007 war das Beitrittsjahr für Rumänien und Bulgarien. Die Bürger dieser Länder haben ab dem 1.1.2014 dieselbe Bewegungsfreiheit innerhalb der EU wie alle anderen EU-Bürger. Die Zahl der rumänischen Staatsangehörigen in Deutschland stieg von 85.600 (2007) auf 205.000 (2012), die der bulgarischen von 46.800 (2007) auf 118.800 (2012). In Köln leben davon aktuell ca. 10.000 insgesamt, 2012 kamen ca. 12.000 nach NRW. Dabei handelt es sich großenteils um gut ausgebildete Menschen. Roma – auf die sich der Rassismus in mehreren EU-Ländern besonders richtet -, leben in in ihren Herkunftsländern unter extrem armen und diskriminierenden Bedingungen, wandern aber nicht in überdurchschnittlichem Maße aus. Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien konzentrieren sich – noch stärker als andere Ausländergruppen – in einigen Großstädten. Niedrige Arbeitslosenquoten von Bulgaren und Rumänen sind zu verzeichnen in wirtschaftsstarken Kommunen (wie 5,7 Prozent in Stuttgart), hohe Arbeitslosenquoten in wirtschaftlich schwächeren Städten (wie 26,8 Prozent in Duisburg). „Kein einziger Mitgliedstaat konnte bislang Beweise vorlegen, dass es Sozialtourismus gibt“, sagt ein Sprecher von EU-Sozialkommissar László Andor. Eine Studie des Centre for European Policy Studies kam im September zu dem Schluss, dass Sozialleistungen keine Magnetwirkung auf EU-Migranten ausübten. Ein Kommentar im Kölner Stadt Anzeiger vom 6.1.2014: „In die Kategorie der Armutszuwanderer fallen zudem nur etwa zehn Prozent der Rumänen und Bulgaren, die seit 2007 in EU-Länder gezogen sind. Weit überproportional migrieren dagegen Ärzte – mit dem Effekt, dass Rumänien heute die niedrigste Ärztedichte in der Union hat. Wie man es auch dreht und wendet: Gegen Armutszuwanderung hilft nur, was gegen Armut hilft.“ Nichtsdestotrotz wenden sich europäische Politiker (z.B. aus Großbritannien, Deutschland,den Niederlanden und Österreich) zunehmend gegen die Freizügigkeit für alle EU-Bürger. Dies hat auch einen sehr schlichten Hintergrund: Es herrscht Angst vor der Konkurrenz rechtspopulistischer Parteien bei der Europawahl 2014.

Flüchtlinge

Im Jahr 2013 wurden aus 69 Staaten beziehungsweise Regionen Krisen gemeldet. 2012 gab es weltweit 45,2 Millionen Flüchtlinge – die höchste Zahl seit 1994. Rund 16,34 Millionen waren internationale und 28,8 Millionen interne Flüchtlinge (Binnenflüchtlinge). Darunter waren 7,6 Millionen neu Vertriebene, das heißt 23.000 Menschen pro Tag – die höchste Zahl seit 1999. Rund 55 Prozent aller Flüchtlinge kommen aus nur fünf Staaten: Afghanistan, Somalia, Irak, Syrien und dem Sudan. bpd (Bundeszentrale für politische Bildung), „Grenzenloses Europa – Europa grenzenlos“

Fluchtursachen

Menschen fliehen vor Krieg, Menschenrechtsverletzungen, politischer Verfolgung, vor den Folgen von Globalisierung und Kolonialismus, vor Armut oder Umweltzerstörungen und Klimakatastrophen in ihren Ländern. Ein großer Teil dieser Faktoren wird von Europa bzw. Deutschland mit verursacht. Dies drückt sich auch in den Slogans von Flüchtlingen hier aus wie z.B. „Wir sind hier, weil ihr dort seid“ oder „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“.

Europäische Flüchtlingspolitik: Festung Europa

Binnen- und Fluchtmigration prägen seit Jahrhunderten die Geschichte Europas. Die Idee des Asyls wiederum ist eine der ältesten Institutionen der Menschheit und gründet auf humanistischen Verpflichtungen – und in Deutschland auf der Erfahrung der NS-Diktatur.

Im Jahr 2012 lebten rund 1,5 Millionen Flüchtlinge in der EU, das sind nur etwa 3,3 Prozent aller weltweit Vertriebenen. Flüchtlinge haben es zunehmend schwerer, in einen sicheren Staat, insbesondere einen EU-Staat, zu gelangen und noch schwerer, sich dort ein neues Leben aufzubauen. Grenzsicherung hat Vorrang vor Flüchtlingsschutz bekommen. Das belegen die vielen Fälle von unrechtmäßiger Abweisung sowie die inzwischen über 20.000 Todesfälle an den EU-Außengrenzen seit Anfang der 1990er Jahre. Über 80 Prozent aller Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern und weniger als 20 Prozent in den Industriestaaten.

Deutsche Flüchtlings- und Asylpolitik

© Kein Mensch ist Illegal, Köln

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Die Bundesrepublik hat bei der Abwehr von Flüchtlingen eine Vorreiterrolle in Europa. Das Asylgrundrecht nach Artikel 16 Absatz 2 („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) wurde vor zwanzig Jahren abgeschafft. Es war nach, den Erfahrungen mit dem National-sozialismus, zusammen mit dem Artikel 1, dem Schutz der Menschenwürde, Herz und Seele des Grundgesetzes. Entgegen einer in Deutschland nur behaupteten „Willkommens-Kultur“ gilt das Gegenteil. Es gibt zwar kleine, mühsam abgerungene Verbesserungen im Detail: verkürztes Arbeitsverbot (9 Monate), Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums – erst vor dem Verfassungsgericht erkämpft. Doch noch immer folgt der Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland der Strategie der Abschreckung. Dazu gehört die Unterbringung in ghettoisierten Sammelunterkünften, die Asylsuchende ausgrenzt, stigmatisiert und der Gefahr rassistischer Angriffe aussetzt. Arbeitsverbote, die Residenzpflicht und das Asylbewerberleistungsgesetz mit seinem diskriminierenden Sachleistungsprinzip verweigern den Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben und degradieren sie zu Objekten staatlicher Alimentierung. Auch das leistet rassistischen Vorurteilen Vorschub.

Flüchtlinge in Köln, Aufnahme und Unterbringung

Die Verteilung von Flüchtlingen in der Bundesrepublik wird nach einem festen Schlüssel vorgenommen. NRW erhält 21,2 Prozent, wovon wiederum 5,1 Prozent Köln zugewiesen werden. Flüchtlinge werden nach dem Landesgesetz zur Flüchtlingsaufnahme auf alle Kommunen und Gemeinden in NRW verteilt. Im September 2013 erhöhte sich in Köln die Gesamtzahl auf 2.672 Personen. Davon warteten 209 Personen auf ihre Weiterverteilung durch die Bezirksregierung Arnsberg. (Zum Vergleich: Im Jahr 2009 war in Köln mit 1.548 untergebrachten Flüchtlingen der Tiefststand der letzten zehn Jahre erreicht.) „Zuwanderung – vor allem wenn es sich um EU-Binnenmigration handelt – ist nicht restriktiv zu steuern. Sie als Ressource zu betrachten eröffnet Politik und Sozialarbeit neue Handlungsmöglichkeiten im Sinne von ‚Ermöglichung‘ und ‚Ressourcen des Gelingens‘. … Die Kommunen als Basis der bundesdeutschen Sozialstaatlichkeit sind der Ort, an dem über gelungene Zuwanderung entschieden wird“ (Endbericht Port Gulliver).
2004 übernahm die Stadt Köln die Leitlinien zur Unterbringung von Flüchtlingen, die vom Runden Tisch für Flüchtlingsfragen entwickelt worden waren. Demnach sollten abgeschlossene Wohneinheiten in und außerhalb von Sammelunterkünften vorgesehen werden, Unterkünfte mit nicht mehr als etwa fünfzig bis achtzig Menschen belegt werden. In den ersten Jahren war dieses Konzept erfolgreich. Allein der Kölner Flüchtlingsrat vermittelte gemeinsam mit Caritas und DRK (in 2 Jahren mit einer städtisch finanzierten Personalstelle für 71.000 Euro) 126 Flüchtlinge auf den freien Wohnungsmarkt – dadurch sparte die Stadt 400.000 Euro jährlich ein.

Nun aber greift man zunehmend zu Notmaßnahmen: Flüchtlinge müssen auf Fluren campieren, man gestattet die Aufstockung der Belegung einzelner Unterkünfte auf über hundert Personen, Containeranlagen auch OHNE abgeschlossene Wohneinheiten werden eingerichtet. Oder man mietet einfache Hotels an (Ein Kostenvergleich: Pro Monat im Hotel 600-900 Euro bzw. im Wohnheim 436 Euro pro Person, in einer Mietwohnung bis 427 Euro pro Person bzw. für einen Vier-Personen-Haushalt bis zu 812 Euro). Nun der letzte Rettungsanker: Eine neue sog. „Task-Force“ mit Vertreterinnen und Vertretern aller betroffenen städtischen Ämter wurde eingerichtet und soll im direkten Abstimmungsverfahren schnelle Entscheidungen garantieren“. Das lässt Rückschlüsse auf die bisherige Konzeptions- und Ideenlosigkeit und mangelnde Kooperation von Politik und Verwaltung zu. Die Stadt Köln begründet die Notmaßnahmen mit dem angespannten Kölner Wohnungsmarkt, aber auch mit angeblich überraschend gestiegenen Zahlen an aufzunehmenden Flüchtlingen. Doch seit etwa vier Jahren steigt die Zahl von Flüchtlingen und die Kommunen wurden rechtzeitig auf diese Tendenz hingewiesen, mit der Maßgabe Vorkehrungen dafür zu treffen. Gegen Proteste von rechten Gruppen oder Anwohnern bisheriger und neuer Massenunterkünfte steht die Stadt mit dem Rücken zur Wand: Man habe sich den „Zustrom“ nicht ausgesucht, sondern werde dazu verpflichtet. „Willkommenskultur“ sieht anders aus. Die wird ansatzweise von Initiativen, Vereinen und Kirchen versucht, ein ständiges Mahnmal öffentlichen Scheiterns. Obdachlosenhilfe oder Beratungsstellen sind hoffnungslos überfordert.

Für eine menschenwürdige Politik und ein solidarisches Miteinander

Die Politik der Ausgrenzung betrifft nicht nur Migranten, sondern alle Menschen. Die längst vorhandene kulturelle Vielfalt sowie zunehmende Armut, Arbeits- oder Obdachlosigkeit werden zunehmend als Bedrohungen empfunden, die von rechtspopulistischen Agitatoren schamlos ausgenutzt wird.

Dabei sollte erkannt werden, dass alle Menschen in demselben „Boot“ sitzen und sie sich gegenseitig als gleichberechtigt und „bereichernd“ anerkennen müssen, statt zu mit reflexartigen und dumpfen Abwehrmechanismen („Das Boot ist voll“) aufeinander zu reagieren.

Beispiel einer aktuellen Stellungnahme:
Flüchtlingsaufnahme in der EU: Breites gesellschaftliches Bündnis fordert grundlegende Neuausrichtung der Verantwortungsteilung 7./8. März 2013: Rat Justiz und Inneres verhandelt über Ausbau der Grenzkontrollen
„Anlässlich des heutigen Treffens des Rates Justiz und Inneres der EU fordert ein breitesgesellschaftliches Bündnis von PRO ASYL, Diakonie Deutschland, Paritätischem Wohlfahrtsverband, Arbeiterwohlfahrt, Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Deutschem Anwaltverein und Neuer Richtervereinigung eine grundlegende Neuausrichtung der Verantwortungsteilung für Flüchtlinge in der EU. Angesichts des Stillstandes in der EU bei der Weiterentwicklung hin zu einer humaneren Flüchtlingspolitik legen die Organisationen am heutigen Tag ein Memorandum mit dem Titel „Flüchtlingsaufnahme in der Europäischen Union: Für ein gerechtes und solidarisches System der Verantwortlichkeit“ vor. Es soll eine Debatte darüber anstoßen, wie Europa künftig mit Flüchtlingen umgehen will. … „

Beispiele für positive Initiativen in Köln:
„Mit dem Mentorenprojekt wollen wir Freiwillige dazu bewegen, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Kölner und Kölnerinnen können ohne weitere Voraussetzungen, ganz nach ihren eigenen Möglichkeiten, Flüchtlinge in der ersten Zeit hier unterstützen. Da geht es besonders um Familien mit Kindern, die Probleme haben, sich hier zu orientieren…“ (Kölner Flüchtlingsrat u.a.). Die erste öffentliche Veranstaltung im Dezember 2013 zur Vorstellung des Projekts stieß auf überwältigende Resonanz der Bevölkerung. Viele weitere Initiativen von Anwohnern und ehrenamtlichen Helfern zur Begrüßung und Unterstützung in Unterkünften von Flüchtlingen.
Die Hausaufgabenhilfe und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche des „Kölner Appells gegen Rassismus“ e.V.