Strategie der „Bürgerbewegung Pro Köln“

“Regel Nummer eins: Wer Politik machen will, darf sich auf keinen Fall auffallend kleiden” – dies erklärte Manfred Rouhs, einer der strategischen Köpfe der selbsternannten Bürgerbewegung „Pro Köln“, um die Jahreswende 2001/2002 zur Voraussetzung erfolgreicher rechtspopulistischer Politik. Unter dem Titel “Von Troublemakern und Problemlösern” stellte Rouhs in seiner Zeitschrift SIGNAL (heute: NATION24) Vorschriften auf, von denen er erklärte, sie “einzuhalten” sei “die unbedingte Pflicht jedes politischen Menschen”. Dieses muss so Manchen aus der Springerstiefel- Fraktion der extremen Rechten genauso hart getroffen haben wie “Regel Nummer zwei: Wer Politik macht, muss normal und halbwegs zeitgemäß schreiben.” In der Phase des Übergangs von der DEUTSCHEN LIGA FÜR VOLK UND HEIMAT zur Bürgerbewegung „Pro Köln“ beherzigten die beteiligten Kölner Aktivisten Rouhs’ Kleiderordnung, weil sie sich den Anstrich einer biederen Bürgerbewegung zur Vertretung lokaler Interessen geben wollten. Dennoch gab es zunächst weiterhin Berühungen mit der Neonazi-Szene. So führte Manfred Rouhs im Jahr 1999 während des Kommunalwahlkampfes eine Kundgebung in Köln-Kalk durch, an der auch der offen nationalsozialistische KAMPFBUND DEUTSCHER SOZIALISTEN des Pulheimer Neonazis Axel Reitz teilnahm. 

Strategie: Konflikte nutzen

Die Bürgerbewegung „Pro Köln“ orientierte sich ab 1999 an Konflikten in Kölner Stadtteilen, bei denen sie hoffte, Ängste in der Bevölkerung und rassistische Ressentiments gegen Minderheiten nutzen zu können. Gewöhnlichen Bürgerprotest, wie es ihn in einzelnen Stadtteilen immer wieder gab und gibt, wollte sie zu ihren Gunsten instrumentalisieren. Mit dem ersten Versuch – Beisicht, Wolter, Rouhs & Co. wollten auf eine Bürgerinitiative gegen die geplante forensische Klinik in Porz aufspringen – hatte „Pro Köln“ noch wenig Erfolg. Die Initiative sagte im August 2001 eine geplante Demonstration ab, weil „Pro Köln“ teilnehmen wollte. Auch der zweite Versuch scheiterte: „Pro Köln“ hatte jetzt die Verlagerung des Straßenstrichs nach Longerich zum zentralen Thema auserkoren, da es bereits Proteste von Anwohnern gegeben hatte, an die man anknüpfen wollte. „Pro Köln“ führte noch im Jahr 2001 mehrere Kundgebungen und Demonstrationen gegen den Straßenstrich in Longerich durch. In Longerich zeigten sich beispielhaft die Widersprüche in der Strategie. Während sich „Pro Köln“ einerseits als Interessenvertreter der Longericher Anwohner präsentieren wollte, mobilisierte die “Bürgerbewegung” zu ihren Demonstrationen vor allem die militante Neonazi-Szene aus dem Ruhrgebiet. Entsprechend gering war die Resonanz in der breiten Bevölkerung. Dasselbe Bild bot sich, als „Pro Köln“ 2003 mit Hilfe der NPD in Chorweiler und Mülheim gegen den Bau von Moscheen protestierte. Das allzu offene gemeinsame Auftreten mit der neonazistischen Szene sorgte für schlechte Publicity. Es stand dem erklärten Ziel von „Pro Köln“ im Wege, sich als Interessenvertretung der “kleinen Leute” und als “Bürgerbewegung” zu verankern.

Erste Erfolge

Größeren Erfolg hatte „Pro Köln“ erst mit den Aktionen gegen Flüchtlingsunterkünfte in Poll (2003) und Mengenich (2005) sowie mit der Mobilisierung gegen den Junkie-Bund in Kalk (2006). In Poll und Kalk konnte „Pro Köln“ offen an Demonstrationen protestierender Bürger teilnehmen, in Mengenich gelang es der Organisation sogar, sich an die Spitze des Protestes zu setzen. Nächstes Ziel von „Pro Köln“ ist die erfolgreiche Teilnahme an der Kommunalwahl 2009. Danach steht die Teilnahme an den Landtagswahlen auf dem Programm (mit „Pro NRW“). Die Bürgerbewegung „Pro NRW“ wolle “bei der Kommunalwahl 2009 und danach bei der Landtagswahl 2010 für ein politisches Erdbeben an Rhein und Ruhr (…) sorgen”, heißt es in einem Flugblatt.

Aufbaukonzept

Ein Aufbaukonzept für „Pro Deutschland“, das sich an dem Vorgehen von „Pro Köln“ orientiert, stellte Manfred Rouhs 2006 bei einem Strategieseminar vor. Das Konzept beschreibt die Richtlinien für die politische Arbeit vor Ort. Es belegt, dass die Themenwahl von „Pro Köln“ beliebig ist und wenig mit ernsthafter Interessenvertretung zu tun hat. Rein taktisch sollen Konflikte rechtspopulistisch ausgeschlachtet werden, um neue Klientel an die Partei zu binden. Als zentrale Ziele werden benannt: – “Handlungsfähigkeit herstellen” – “Menschen binden” – “Wahlantritt” Die ersten Schritte zum Aufbau einer rechtspopulistischen Partei beschreibt das Konzept unter dem Motto “Handlungsfähigkeit herstelllen”. Angelehnt an das Vorgehen von „Pro Köln“, bei dem ein Stadtviertel nach dem anderen beackert wurde, sollen zunächst landesweit „Pro Köln“-Ableger geschaffen werden, um auf diese Weise Strukturen für den Aufbau einer Landespartei zu bilden. Erst danach ist der Aufbau der Bundespartei vorgesehen – nach demselben Strickmuster. Das Konzept liefert Anweisungen zur Einrichtung von Girokonten, Kontaktadressen und Internetseiten. Vorgefertigtes Werbematerial soll von der Organisationsspitze zur Verfügung gestellt werden. Für die Treffen der Kreisverbände empfiehlt das Papier Konspirativität. Die Gründung der Kreisverbände hat in Absprache mit der Führungsebene zu erfolgen, die ganz offen als zentralistisches Führungsorgan auftritt. Über einen Verstoß gegen das Schritt-für-Schritt-Prinzip beim Aufbau der „Pro“-Strukturen beschwerte sich im März 2008 Markus Beisicht. Die rechtslastige JUNGE FREIHEIT berichtete ausführlich darüber: “Der Vorsitzende der Bürgerbewegungen ‘Pro Köln’ und ‘Pro NRW’, Markus Beisicht, hat das Antreten von ‘Pro München’ bei der bayrischen Kommunalwahl als schweren strategischen Fehler bezeichnet. Der Versuch ‘einiger weniger’, das ‘Erfolgsmodell Pro Köln’ auf Großstädte wie München auszuweiten, sei zum Scheitern verurteilt gewesen. … Aus gutem Grund hätten sich ‚Pro Köln‘ und ‚Pro NRW‘ darauf geeinigt, sämtliche Ressourcen auf Köln und Nordrhein-Westfalen zu konzentrieren. Nur hier könne über die weitere Entwicklung des Politikmodells der ‘Pro-Bewegungen’ entschieden werden.”

 Menschen binden

Als “Kernarbeit der Bürgerbewegung” gilt laut dem Rouhs’schen Aufbaukonzept vor allem ein Ziel: “Menschen binden”. Damit hat „Pro Köln“ in den vergangenen Jahren tatsächlich relativ große Erfolge erzielt und seine Strukturen ausbauen und festigen können. Vor allem nach dem vielversprechenden Beginn der Kampagne gegen den Moscheebau und gegen die angebliche Islamisierung Kölns wurden die örtlichen Haushalte regelmäßig mit PRO KÖLN-Flugblättern beliefert. “Wer zwei, drei Jahre regelmäßig von pro Deutschland hört, wird nachhaltig geneigt sein, der Bürgerbewegung bei der nächsten Kommunalwahl seine Stimme zu geben”, beschreibt Rouhs das Konzept. Selbstverständlich benötigt man, um eine echte Bindung an die eigene Organisation herzustelllen, mehr als Flugblätter. Besondere Bedeutung misst „Pro Köln“ Unterschriftenlisten, Bürgerbegehren und Petitionen zu. Von 2006 an versuchte „Pro Köln“, mit einer Unterschriftenliste ein Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee in Ehrenfeld einzuleiten. Obwohl von Anfang an mehr als fragwürdig war, ob das Bürgerbegehren überhaupt zulässig sei, bemühte sich „Pro Köln“ monatelang um Unterzeichner – mit immensem Aufwand: “Die allgemeine Petition der Bürgerbewegung ‚Pro Köln‘ gegen den geplanten Bau einer Großmoschee in der Domstadt wurde mit sieben Mal 50.000 Exemplaren aufgelegt, also 350.000 Stück.” Im April 2007 wurden schließlich 23.077 Unterschriften an den Oberbürgermeister übergeben. Allerdings waren 7.137 davon ungültig, so dass die Mindestzahl für ein Bürgerbegehren unterschritten wurde und das Vorhaben scheiterte. „Pro Köln“ nahm dies widerstandslos hin.

Adressenbestand

Über den Grund für das widerstandslose Akzeptieren des Scheiterns des Bürgerbegehrens gibt das “Aufbaukonzept” der “Bürgerbewegung” Auskunft. Demnach geht es gar nicht darum, mit einem Bürgerbegehren (oder wahlweise auch mit Petitionen) ein Ergebnis zu erzielen, also die vermeintlichen Interessen der Bürger zu vertreten und durchzusetzen. Von Interesse sind für „Pro Köln“ lediglich die Unterschriften, die erfasst werden, um die Unterzeichner mit Propagandamaterial beliefern und möglichst an die Partei binden zu könnnen. “Die eingehenden Petenten- Adressen müssen sorgfältig erfasst werden”, heißt es in dem Strategiepapier: “Den Adressen-Bestand werden wir strukturieren, z.B. nach Mitgliedern, Spendern, Unterstützern und Interessenten, wobei jeder, der lediglich eine Unterschrift geleistet hat, zunächst die Kennung ‘Interessent’ bekommt und später gegebenenfalls ‘hochgestuft’ wird. Jede Aussendung werden wir mit dem Vermerk ‘Falls verzogen, bitte mit neuer Anschrift zurück!’ versehen. Und die Rückläufer werden wir selbstverständlich zeitnah bearbeiten, um unseren Adressenbestand, der unser wichtigstes Kapital darstellt, auf dem neuesten Stand zu halten.” Tatsächlich werden alle gesammmelten Adressen drei bis vier Mal im Jahr mit „Pro Köln“-Materialien beliefert. Außerdem werden sie an den Bundesvorstand von „Pro Deutschland“ weitergegeben und von diesem ebenso beschickt. “Das schafft Bindungen”, heißt es im Aufbaukonzept – Bindungen, die dazu dienen, erfolgreiche Kandidaturen bei Kommunal- oder Landtagswahlen zu sichern. “Sobald es uns gelungen ist, im Wahlgebiet zwei Prozent aller Haushalte in den Adressbestand aufzunehmen, sind wir zu 100 Prozent wahlkampffähig. Denn hinter zwei Prozent der Haushalte stehen – die bei Kommunalwahlen typischerweise niedrige Wahlbeteiligung vorausgesetzt – rund vier Prozent der Wähler… . In Köln waren dafür bei 524.000 Haushalten 10.480 Adressen nötig.“ Ebenso verfährt „Pro Köln“ mit Petitionen an den Beschwerdeausschuss der Stadt. “Sobald im Segment Multi-Kulturalismus irgend etwas geschieht, was unseren Widerspruch herausfordert, werden wir dazu eine Petition aufsetzen, die im Regelfall an den Beschwerdeaus- schuss des Stadtrates gerichtet ist. … Zu dieser Sitzung … muss unbedingt eine Einladung an alle in der Region vorhandenen Adressen geschickt werden; der Termin kann genutzt werden, um unsere dort erscheinenden Unterstützer, von denen wir manche wahrscheinlich noch gar nicht persönlich kennen, anzusprechen.” Da dieses Verfahren nicht mit den Datenschutzbestimmungen in Einklang zu bringen ist und Untersuchungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz nach sich zog, wurde das Aufbaukonzept geringfügig umformuliert. “Die eingehenden Rückläufer müssen … unter Beachtung der weiteren Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes sorgfältig erfasst werden.” Dass dieses eine wirkliche Änderung im Umgang mit Unterschriften zur Folge hatte, darf allerdings bezweifelt werden: “Das hier beschriebene Procedere zur Ansprache von Menschen – Thema suchen, Petition erstellen, Adressen ein- pflegen, Info-Blatt aussenden usw. – wird ständig wiederholt. Sobald ein Handlungszyklus abgeschlossen ist, folgt der nächste: wir suchen ein neues Thema, erstellen eine neue Petition, und so weiter.” Der entscheidende nächste Schritt im Strategiekonzept der PRO-Bewegung ist die Kommunalwahl 2009 in Köln. Wenn „Pro Köln“ erfolgreich in den Stadtrat einziehen kann, wird ihr dieses großen Auftrieb geben und die Bemühungen um die Teilnahme an den Landtagswahlen noch verstärken.

© “Köln ganz rechts – Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln”,
Jugendclub Courage Köln, 2008